HIV-Tests nach Outing: Forscher dokumentieren Charlie-Sheen-Effekt

Am 17. November 2015 war Charlie Sheen so mutig wie wahrscheinlich selten in seinem Leben. In der "Today"-Show des US-Senders NBC erklärte der für seine Skandale bekannte Schauspieler vor Millionen Fernsehzuschauern, dass er sich mit dem HI-Virus infiziert hat.

Die Entscheidung, seine Krankheit öffentlich zu machen, fiel nicht ganz freiwillig. Vor dem Outing hatten Klatschblätter tagelang über eine mögliche HIV-Infektion spekuliert. Auch erklärte Sheen, von einer Prostituierten erpresst worden zu sein, die seine Medikamente fotografiert hatte. Dem wollte er ein Ende bereiten.

Der Schauspieler nutzte die Aufmerksamkeit des Moments allerdings noch nicht für gemeinnützige Botschaften. Er wies nicht darauf hin, wie wichtig HIV-Tests sind, machte auch noch keine Werbung für Kondome. Und brachte dennoch Tausende Menschen dazu, ihr eigenes HIV-Risiko zu reflektieren, wie eine aktuelle Auswertung zeigt.

Millionen Google-Abfragen, Tausende Tests

Nach dem Fernsehauftritt begannen Millionen Menschen, im Internet nach HIV, Vorbeugung und Tests zu suchen. Die Anfragen erreichten Rekordwerte, wie eine Untersuchung 2016 ergab. Eine weitere Studie zeigt jetzt, dass viele Bewohner der USA noch einen Schritt weiter gingen: Auch die Verkäufe von HIV-Selbsttests für Zuhause schnellten in die Höhe.

Für ihre Untersuchung analysierten die Forscher die wöchentlichen Verkaufszahlen der Tests über einen Zeitraum von April 2014 bis April 2016. Der Effekt war deutlich zu sehen:

Der Effekt des Fernsehauftritts sei sieben Mal stärker gewesen als der des Welt-Aids-Tages, schreiben die Forscher um Jon-Patrick Allem von der University of Southern California im Fachmagazin "Prevention Sciences". "Es ist leicht vorstellbar, dass ein einzelner Mensch wie Sheen, der seine HIV-Infektion offenbart, die Menschen mehr überzeugt als eine unbekannte Masse oder ein Vortrag eines Gesundheitsexperten", sagt Allem.

Genetisches Brustkrebsrisiko: Der Jolie-Effekt

Mit ihrer Analyse bestätigen die Forscher ein Phänomen, das Mediziner schon einmal 2013 dokumentierten. Damals hatte die US-Schauspielerin Angelina Jolie sich aufgrund eines erblich bedingten hohen Krebsrisikos vorsorglich beide Brüste entfernen lassen und ihre Entscheidung in einem Artikel öffentlich gemacht.

Viele Frauen sorgten sich nach dem Bericht auch um ihre eigene Gesundheit. In Deutschland verzeichneten Kliniken und Institute bis zu zehn Mal mehr Anfragen als zuvor. Die Mediziner sprachen damals vom Jolie-Effekt. Davon inspiriert, erklärten die Forscher den Einfluss des HIV-Outings auf die Gesellschaft in ihrer aktuellen Studie zum Charlie-Sheen-Effekt.

HIV-Tests zählen zu den wichtigsten Werkzeugen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. In den USA weiß schätzungsweise einer von acht der 1,2 Millionen HIV-Infizierten nichts von seiner Erkrankung. In Deutschland ist die Quote ähnlich hoch: Hierzulande trugen laut Robert Koch-Institut Ende 2015 rund 84.700 Menschen das Virus in ihrem Körper - davon 12.600, ohne es zu wissen.

Wer sich in Deutschland testen lassen möchte, muss anders als in den USA allerdings noch zum Arzt oder einer Beratungsstelle gehen. Selbsttests für Zuhause, wie sie die aktuelle Studie untersucht hat, sind hierzulande noch nicht zugelassen. Das könnte sich bald ändern: Das Bundesgesundheitsministerium erklärte Anfang Mai, über eine Zulassung für den Hausgebrauch zu beraten.

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Theodore L. Caputi
Theodore L. Caputi
Economics & Health Researcher

My research interests include public health, health innovation, and health care.